
Ganz im Sinn einer Stärkung der heimischen Autoindustrie startet Rivian die erste nationale Kampagne.
02.05.2025
Das 2009 gegründete Startup für elektrische SUVs und Pickup Trucks hat gegenüber dem Konkurrenten Tesla einen gravierenden Wettbewerbsnachteil: Kaum jemand kennt Robert Joseph Scaringe. Der CEO von Rivian ist kein Regierungsberater, äußert sich nicht täglich ungefragt in den sozialen Netzwerken und in den Medien, fliegt nicht ins All und beschimpft, beleidigt und diskreditiert niemanden (zumindest ist davon nicht bekannt). Da diese mediale Omnipräsenz fehlt, bleibt Rivian nichts anderes übrig, als mit bezahlter Werbung auf sich aufmerksam zu machen.
Die Gelegenheit ist günstig. Tesla ist in Ungnade gefallen, die hochpreisigen Importmarken werden vielleicht mit Zöllen belastet und der Präsident hat das Dogma Make America Great Again ausgegeben. Gute Voraussetzungen für einen amerikanischen Hersteller, sich bemerkbar zu machen. Auch wenn man mit Preisen ab $ 70.000 bislang noch keine Mainstream-Modelle anbieten kann.
Mit der TV-Kampagne aus der Feder der Agentur Mojo Supermarket will Rivian aus der Nische der Geheimtipps treten und näher an den Menschen sein. Wie ginge das besser als mit Geschichten über reale Kundinnen und Kunden, die in einer Reihe von Spots nacherzählt werden. Die Ideen dafür kommen aus den 129 lokalen Klubs der Rivian-Besitzerinnen und -Besitzer.
Die erste Episode stellt zwei geschäftstüchtige Kinder vor, die auf gegenüberliegenden Straßenseiten ihre Limonadenstände aufgebaut haben. Die Zielgruppe ist überschaubar, was zwangsläufig zu einer Wettbewerbssituation führt. Im Stil eines Western-Duells senken sie abwechselnd die Preise. Dieser eher einfallslosen Strategie sind naturgemäß Grenzen gesetzt, also greift der kreative Jungunternehmer zu einem Wettbewerbsvorteil, dem seine Kontrahentin von gegenüber nichts entgegensetzen kann: Er bietet ein neues Produkt an. Seine Familie besitzt nämlich einen Rivian R1T, mit dessen Hilfe er halbgefrorenen Orangensaft herstellen kann. Das Elektroauto liefert den Strom für den Mixer, der vordere Kofferraum dient als Eisfach.
Für einen ruinösen Konkurrenzkampf will Rivian natürlich nicht stehen, deshalb wird es am Ende versöhnlich. Der Junge geht auf seine Kontrahentin zu und bietet ihr seine eisgefühlte Erfrischung an. Was sympathisch, aber nicht im Geist der Lebensphilosophie von Donald Trump ist, für den nur Gewinnen um jeden Preis zählt.
Nach dem Auftakt mit der Familie Carter und ihrem Sohn Ryder sollen im Laufe des Jahres weitere Geschichten folgen, die ebenfalls von wahren Begebenheiten inspiriert sind. Sie stehen für den besonderen "Rivian Spirit", den das Unternehmen so definiert: Adventure, joy and doing things differently. Die breit aufgestellte Kampagne soll die Bühne für einen neuen Midsize SUV R2 bereiten, der 2026 für unter $ 45.000 auf den Markt kommt. Der Weg von den rund 50.000 verkauften Fahrzeugen im Jahr 2024 zu einem Volumenhersteller dürfte noch weit sein, aber die Rahmenbedingungen sind günstig und ein erster Schritt ist mit der Kampagne gemacht.
Es gibt jenseits der Marketing-Strategie noch einen anderen Grund, warum man die Entwicklung von Rivian beobachten sollte. Volkswagen ist bekanntlich mit insgesamt $ 5,8 Milliarden eingestiegen, um in einem Software Joint Venture am hohen Entwicklungsstand bei Rivian zu partizipieren. Die Zusammenarbeit wurde am 12. November 2024 offiziell bekanntgegeben. Mit ihr soll unter anderem die Entwicklung des Einstiegsmodells ID.1 forciert werden, um das so genannte Software Defined Vehicle (SDV) ein Jahr früher auf den Markt zu bringen.